Angesichts der angeregten Diskussion möchte auch ich meinen Senf zu dem Vorfall dazugeben.
Aber erstmal herzlichen Glückwunsch zu den gelungenen Bildern, es ist interessant, sowas mal als Bild zu sehen, wo man sonst als Techniker nur mit den Ergebnissen konfrontiert wird.
Meiner Meinung nach war es eher fragwürdig bis riskant, vielleicht sogar unverantwortlich, das Fahrwerk einzufahren und den Flug normal zu absolvieren.
Wobei, ganz klar, ich nicht weiß, ob die Crew den Reifenplatzer mitbekommen hat, wovon aber fast auszugehen ist.
Bei der 737 Classic werden die Hauptfahrwerksräder automatisch hydraulisch abgebremst, sobald der Fahrwerkshebel auf "up" gelegt wird, so daß die Räder nicht mehr drehen, wenn das Fahrwerk im Fahrwerksschacht eingefahren wird.
Die Hauptfahrwerksreifen sind mit Stickstoff gefüllt, der Druck beträgt im Normalfall je nach Reifengröße und eingetragenem zulässigen MTOW bei der 737-400 205 - 215 PSI im kalten Zustand.
Im Transit, nach einer Landung steigt der Reifendruck durch die Wärme der Bremsen/Räder gern bis auf ca. 240 - 250 PSI an.
Das sind ca. 17,0 bar.
Wenn solch ein Reifen beim Take Off-Run platzt, fliegen buchstäblich die Fetzen. Und hier wird es gefährlich und interessant.
Die flexiblen, stahldrahtummantelten Hydraulikleitungen zu den Radbremsen der 737 werden dabei oft genug abgerissen, was zum einen zu einem Hydraulikflüssigkeitsverlust führt, aber eben auch dafür sorgt, daß das betreffende Rad ungebremst und sich drehend in den Fahrwerksschacht einfährt. Oftmals ist dann der Durchmesser der sich drehenden Reifenreste größer als der intakte Reifen.
In unserem Fall liegt dann auf der linken Hauptfahrwerksschachtseite ein Teil des Landeklappenantriebs, der Hydrauliktank des A-Systems, der hydraulische Querruderfahrzylinder und noch diverse andere recht lebenswichtige Bauteile.
Nicht auszudenken, was da hätte passieren können.
Desweiteren ist solch ein Vorfall beim LBA meldepflichtig, würde mich interessieren, wie das "Nachspiel" für die betreffende Airline aussieht.
Feuerwerk hat geschrieben:
Frag mal deine "Experten" nach dem MLW der 734 im Vergleich zu ihrem am Samstag aktuellen Startgewicht (sprich wie lange gehalten werden müsste, um das MLW zu erreichen [B737-400 kann kein Fuel dumpen])
Man muß kein Experte sein, um das Dank Internet herauszufinden, nur lesen sollte man können.
Das MTOW der 737-400 liegt bei rund 62,8 t, das maximale Landegewicht bei 54,8 t.
In diesem Fall ist eine sanfte Overweightlandung mit 8,0 t zuviel m.E. bestimmt verantwortungsvoller, als den waidwunden Bock nach Hause zu fliegen. Kosten hin oder her, das war kein Viehtransport.
Feuerwerk hat geschrieben:
Frag mal deine "Experten", warum ein Flugzeug zwei Reifen am MLG hat.
Erstens, weil es Bauvorschrift ist und zweitens, weil eine 737 für nur drei Räder schlicht zu schwer ist.
Feuerwerk hat geschrieben:
Frag mal deine "Experten", wie oft es Reifenplatzer gibt (und wie viele 737 dabei schon verunglückt sind)
Tja und das ist das Problem, nämlich häufiger, als man vermutet. Es muß ja nicht immer gleich zu Flugunfällen führen, schwere Beschädigungen im Fahrwerksschacht reichen.
Dieser Umstand hat bei der 737 NG dazu geführt, daß sie unterhalb des Fahrwerkschachtes sogenannte "frangible Fittings" hat. Diese Bauteile sollen bei einem Reifenplatzer von den Reifenresten abgeschlagen werden und sorgen dann dafür, daß der Fahrwerkseinfahrdruck abgelassen wird und das Fahrwerk nicht in den Fahrwerksschacht einfährt, sondern durch Schwerkraft und Federkraft wieder ausgefahren und verriegelt wird.
Gruß Michael