DAS STRFORUM AUF WHATSAPP

Folge jetzt unserem WhatsApp Kanal unter https://whatsapp.com/channel/0029VaCQZtZ2ZjCu0HMW591P

Ungleich viele Reverser

Neuigkeiten aus der Luftfahrt sowie alle Themen rund ums Spotten, Fotografie und Bildbearbeitung

Moderatoren: Worsen, Bianca, PaddyFly

Antworten
iSpotter
Beiträge: 79
Registriert: 14. Oktober 2012 18:57
Wohnort: Köngen
Hat sich bedankt: 181 Mal
Danksagung erhalten: 169 Mal
Kontaktdaten:

Ungleich viele Reverser

Beitrag von iSpotter » 24. März 2013 22:34

Hallo,

mir ist heute an der Turkish A343 aufgefallen, dass sie links nur an einem Triebwerk (dem inneren) den Umkehrschub benutzt hat, auf der rechten Seite aber beide.
(Siehe: http://str-forum.de/viewtopic.php?nomobile=1&f=9&t=9304)
Woher kommt das?
Ich kenne das, dass man nur die inneren Reverser bei einer schmalen Bahn benutzt, um keinen Dreck aufzuwirbeln.
Es müsste doch ein großer Schubunterschied entstehen, wenn ein Engine im Leerlauf ist, aber die anderen "umkehren".

Gibt es hierfür eine Antwort oder war das eine Ausnahmesituation?

Gruß
Thomas



Benutzeravatar
p27
Beiträge: 462
Registriert: 11. August 2007 12:51
Wohnort: Stuttgart
Hat sich bedankt: 230 Mal
Danksagung erhalten: 143 Mal

Re: Ungleich viele Reverser

Beitrag von p27 » 24. März 2013 23:52

Hallo,

Es kann technische Gründe haben. Grundsätzlich kann man sagen, dass es möglich ist, Reverser (einzeln oder mehrere) zu blocken, wenn sie defekt sind.
Ob überhaupt, wie das zu tun ist und was für eine operationelle Einschränkung es gibt, steht in der "sogenannten" MEL . Der Minimum Equipment List.
Wie stark es die Steuerung beeinflusst, soll dir ein Pilot sagen, der solche Dinger fliegt. Aber ich denke nicht so stark, sonst würde es nicht zugelassen werden.

Gruß



fischli
Beiträge: 101
Registriert: 4. Oktober 2005 19:53
Danksagung erhalten: 33 Mal

Re: Ungleich viele Reverser

Beitrag von fischli » 25. März 2013 08:30

Hi,

wie bereits geschrieben ist der wahrscheinlichste Grund, dass der Reverser mechanisch geblockt wurde. Dies macht man, wenn man einen defekt am Reverser feststellt, der nicht sofort behoben werdem kann. Um sicher zu stellen, dass keine weiteren Schaeden entstehen bzw. Fehlfunktionen auftreten, wird der betreffende Reverser stillgelegt.

Gerade bei einer 343 hat ein nicht funktionierender Reverser kaum einen Einfluss auf die Richtungsstabilitaet bei der Landung. Zum einen sind es nur 25 Prozent, die einem fehlen (verglichen zu 50% bei Flugzeugen mit nur 2 Reversern) und zum anderen sind die Reverser nicht die effektivsten. Zudem duerften die Kollegen wohl nur mit Reverse Idle gelandet sein (Laerm), so dass sie es kaum bemerkt haben.

Bei anderen Flugzeugen merkst du es deutlicher, wenn ein Reverser nicht funktioniert, aber selbst da ist es auf rutschigen (z.B. schneebedeckten) Bahnen kein Problem, die Richtung zu halten.

Viele Gruesse
Jochen



Feuerwerk
Beiträge: 296
Registriert: 9. Januar 2006 07:45
Hat sich bedankt: 655 Mal
Danksagung erhalten: 94 Mal

Re: Ungleich viele Reverser

Beitrag von Feuerwerk » 25. März 2013 19:10

War der Einser- Reverser wirklich INOP?
Die Türken ziehen die doch selten gleichzeitig - habe ich schon oft gesehen - und hier schön dokumentiert: http://www.youtube.com/watch?v=pb99_JmGXxc



Benutzeravatar
A319Muck
Beiträge: 248
Registriert: 11. April 2007 10:52
Wohnort: N48°34'E009°14'
Hat sich bedankt: 72 Mal
Danksagung erhalten: 107 Mal

Re: Ungleich viele Reverser

Beitrag von A319Muck » 26. März 2013 10:16

fischli hat geschrieben:Gerade bei einer 343 hat ein nicht funktionierender Reverser kaum einen Einfluss auf die Richtungsstabilitaet bei der Landung. Zum einen sind es nur 25 Prozent, die einem fehlen (verglichen zu 50% bei Flugzeugen mit nur 2 Reversern) und zum anderen sind die Reverser nicht die effektivsten. Zudem duerften die Kollegen wohl nur mit Reverse Idle gelandet sein (Laerm), so dass sie es kaum bemerkt haben.
Ich kenne zwar den A340 nicht aber physikalisch richtig ist, dass bei allen Vierstrahlern die Richtungsstabilität stäker beeinflusst ist als bei einem Zweistrahler sofern einer der äußeren Reverser fehlt, denn das Drehmoment ist Kraft mal Hebelarm - und dieser ist nunmal beim einser und vierer Motor sehr groß. Das ist auch der Grund, weshalb der A340 auf den äußeren Motoren nur dann mehr als Leerlauf-Schub auf den beiden äußeren Motoren erlaubt, wenn beide Reverser voll aufgefahren sind.

Über die Effektivität der Reverser vom CFM56 weiß ich zwar auch nichts, aber das die CFM56-Reverser im Leerlauf deutlich effektiver sind als bei anderen Motoren ist auch physikalisch logisch, denn beim CFM56 stämmen sich dicke Metalltore dem Fahrtwind entgegen während bei den meisten anderen Fan-Motoren nur ein bisschen Luft dagegen geblasen wird.



fischli
Beiträge: 101
Registriert: 4. Oktober 2005 19:53
Danksagung erhalten: 33 Mal

Re: Ungleich viele Reverser

Beitrag von fischli » 31. März 2013 12:00

A319Muck hat geschrieben: Ich kenne zwar den A340 nicht aber physikalisch richtig ist, dass bei allen Vierstrahlern die Richtungsstabilität stäker beeinflusst ist als bei einem Zweistrahler sofern einer der äußeren Reverser fehlt, denn das Drehmoment ist Kraft mal Hebelarm - und dieser ist nunmal beim einser und vierer Motor sehr groß. Das ist auch der Grund, weshalb der A340 auf den äußeren Motoren nur dann mehr als Leerlauf-Schub auf den beiden äußeren Motoren erlaubt, wenn beide Reverser voll aufgefahren sind.
Leider konnte ich nicht schneller Antworten, da bei mir das Internet komplett zusammengebrochen war, nachdem ein Fischkutter mal wieder ein Unterseekabel gekappt hatte :-( .
Wenn ich deine Aussage richtig verstehe, gehst du davon aus, dass beim Ausfall eines aeusseren Reversers bzw. Triebwerks die bei einer 4-Mot der Einfluss auf die Richtungsstabilitaet hoeher ist als bei einer vergleichbaren 2-Mot, da die Triebwerke weiter aussen sitzen und somit dank des laengeren Hebelarms ein hoeheres Moment auf das Flugzeug ausueben.

Es ist soweit sicher unstrittig, dass bei einer Quad sich die auesseren TW staerker bemerkbar machen, als die inneren. Um aber auf deinen angesprochenen Unterschied zwischen Quads und Twins zu kommen, so kann ich dir aus der Praxis sagen, dass es genau anders herum ist ;-) : die 2-Mot zieht staerker auf die Seite, wenn ein Reverser bzw. TW ausfaellt, als die 4-Mot. Damit du mir meine praktischen Erfahrungswerte nicht einfach so glauben musst, versuche ich mal, es physikalisch zu belegen.
Es ist sehr praktisch, dass sich der Thread um den A343 dreht, da man ihn sehr gut mit dem A333 vergleichen kann. Da ich keine genauen Werte fuer den Umkehrschub habe, werde ich bei den Berechnungen einfach einen Triebwerksausfall zu Grunde legen, was im Prinzip (fuer die Richtungsstabilitaet) aufs Gleiche rauskommt.
Beim A333 sitzt das Triebwerk an exakt der gleichen Stelle, wie das innere Triebwerk beim A343, naemlich bei 9,37m. Der grosse Unterschied ist jedoch, dass beim A333 ein Triebwerk ca. 311kN Schub liefert, waehrend es beim A343 nur ca. 144 kN leistet (da sich ja die benoetigte Leistung auf 4 statt 2 TW aufteilt). Damit komme ich beim A333 beim Ausfall eines TW auf ein Moment con ca. 2914. Wenn beim A343 das aeussere TW ausfaellt (welches 19,6m vom Rumpf entfernt ist), komme ich auf ein Moment von 2822.

Ich muss gestehen, dass ich jetzt doch etwas erstaunt bin, dass der Unterschied doch recht gering ist :gruebel: . In Echt hatte ich auf dem A340 immer das Gefuehl, deutlich weniger Ruderinput zu benoetigen, als auf dem A330 um die Richtung halten zu koennen. Es spielen aber auch noch viele weitere Faktoren mit eine Rolle.
Wenn man sich auch die Vmca anschaut, sieht man, dass ich nicht so ganz falsch liegen kann: ca. 125kt A330 vs. ca. 120kt A340.

A319Muck hat geschrieben: Über die Effektivität der Reverser vom CFM56 weiß ich zwar auch nichts, aber das die CFM56-Reverser im Leerlauf deutlich effektiver sind als bei anderen Motoren ist auch physikalisch logisch, denn beim CFM56 stämmen sich dicke Metalltore dem Fahrtwind entgegen während bei den meisten anderen Fan-Motoren nur ein bisschen Luft dagegen geblasen wird.
Da kann ich mein subjektives Gefuehl leider nicht wirklich mit Zahlen untermauern (a la Reverser X leistet XX kN). Was ich jedoch weis, ist, dass es bei den unterschiedlichen Reverser – Kostruktionen grosse Unterschiede gibt, wie weit die Luft Umgelenkt wird. Einfachste Kunstruktionen wie z.B. in einem Cessna CJ koennen die Luft nur um ca. 70 Grad umlenken. Bei diesen Konstruktionen kann man eigentlich noch gar nicht von Umkehrschub reden, da die TW das Flugzeug immer noch nach vorne bewegen (wenn auch deutlich vermindert), daher bleiben die TW dort nach der Landung auch immer in Idle. Alle anderen „echten“ Reverser lenken den Luftstrom um ueber 90 Grad ab, so dass man effektiv eine Kraft entgegen der Flugzeugbewegung bekommt. Allerdings unterscheidet sich dieser Winkel massiv zwischen den einzelnen Konstruktionen. Wenn ich die Zahlen noch richtig im Kopf habe, so liegt der Wert bei den CFM bei ca. 120 Grad und bei den RR (A330) bei gut 160 Grad, da deren Reverser Tore am Ende noch ein kleines um 90 Grad nach innen gerichtetes Umlenkblech haben. Leider habe ich mein Skript von der Uni nicht zur Hand, sonst koennte ich mit genauen Zahlen dienen.

Wenn ich meinen Text so durchlese, bin ich mir nicht sicher, ob man ueberhaupt nachzuvollziehen kann, was ich eigentlich sagen wollte :shock: Falls es Fragen gibt, werde ich versuchen, diese zu beantworten, sobald ich ausgeschlafen bin (hatte die letzten 2 Naechte Simcheck). Vielleicht wird es dann auch verstaendlicher ;-)

Viele Gruesse
Jochen



Benutzeravatar
p27
Beiträge: 462
Registriert: 11. August 2007 12:51
Wohnort: Stuttgart
Hat sich bedankt: 230 Mal
Danksagung erhalten: 143 Mal

Re: Ungleich viele Reverser

Beitrag von p27 » 31. März 2013 13:29

Hallo Jochen,

Danke für die Erklärung! Als B1 auf XLS bin ich mit den großen Flugzeugen nicht ganz so vertraut, aber es klingt plausibel. Nachrechnen werde ich jetzt mit Sicherheit nicht, da ich davon ausgehe, dass du das besser kannst als ich.
Was mich noch interessieren würde, ist, ob diese Flugzeuge auch etwas haben, um den asymmetrischen Schub auszugleichen? Bei der XLS geht das pneumatisch! Bleed-Air wird von jedem TW jeweils auf die andere Seite eines Klolben geleitet, was bei beiden TW zu einem Kräfteausgleich führt. Wenn eines jetzt ausfällt, bleibt der Druck auf einer Seite weg und der Kolben bewegt über Seile das Seitenruder in die entsprechende Richtung.
Heißt Rudder-Bias!
Bei Airbus könnte ich mir vorstellen, dass das über die Computer läuft?

Bei den CJ's spricht man nicht von einem "Reverser" sondern von einem Thrust-Attenuator ( keine Ahnung ob ich das jetzt richtig geschrieben habe) auf deutsch Restschubvernichter. Man kann damit keinen "Umkehrschub" geben. Sie klappen automatisch wieder ein wenn man Gas gibt (Systembedienung muss einfach bleiben, da "Single-Hand"-Certified).
Ab den Cj+, 3er und 4er so oder so, haben die Flieger FADAC-Engines. Das heißt, dass sie Computer die Leerlaufdrehzahl und damit den Restschub weiter herunter regeln können und somit auf die Paddels verzichtet werden kann.

Gruß



Benutzeravatar
p27
Beiträge: 462
Registriert: 11. August 2007 12:51
Wohnort: Stuttgart
Hat sich bedankt: 230 Mal
Danksagung erhalten: 143 Mal

Re: Ungleich viele Reverser

Beitrag von p27 » 31. März 2013 14:16

Eins muss ich noch beisteuern, zu deinem Verwundern, dass der Unterschied doch so gering ist: Du musst denken, dass bei deiner Rechnung nur die TW-Kräfte eine Rolle spielen! Wir wissen nicht wie die Reverser sich auf die Wirksamkeit der Flaps auswirken. Die Umlenkung der Luft könnte dafür sorgen, dass die Flaps, die ja auch über einen Spalt verfügen, in ihrer Wirkung deutlich erhöht werden, während im äußeren Bereich die Verwirbelung der Luft durch den Reverser weitaus weniger Sekundärwirkung hat.
Auch wenn du in deinem Beispiel den T/O heranziehst, so gibt es auch dort Kräfte die in das Gesamtmoment mit einspielen: Eine großes TW innen am Flügel kann, wenn es keinen Schub mehr erzeugt, die Aerodynamik des Flügels natürlich deutlich mehr stören, als ein Kleines außen am Flügel wo keine größeren Bauteile in der geänderten Ströhmung stehen. Außerdem hat der 340 ja dieses zusätzliche Fahrwerk, das durchaus für eine höhere Richtungsstabilität sorgen kann.
Das alles würde erklären, warum du eigentlich in der Praxis einen viel größeren Unterschied merkst.

Gruß



fischli
Beiträge: 101
Registriert: 4. Oktober 2005 19:53
Danksagung erhalten: 33 Mal

Re: Ungleich viele Reverser

Beitrag von fischli » 1. April 2013 12:27

p27 hat geschrieben:Hallo Jochen,

Danke für die Erklärung! Als B1 auf XLS bin ich mit den großen Flugzeugen nicht ganz so vertraut, aber es klingt plausibel. Nachrechnen werde ich jetzt mit Sicherheit nicht, da ich davon ausgehe, dass du das besser kannst als ich.
Was mich noch interessieren würde, ist, ob diese Flugzeuge auch etwas haben, um den asymmetrischen Schub auszugleichen? Bei der XLS geht das pneumatisch! Bleed-Air wird von jedem TW jeweils auf die andere Seite eines Klolben geleitet, was bei beiden TW zu einem Kräfteausgleich führt. Wenn eines jetzt ausfällt, bleibt der Druck auf einer Seite weg und der Kolben bewegt über Seile das Seitenruder in die entsprechende Richtung.
Heißt Rudder-Bias!
Bei Airbus könnte ich mir vorstellen, dass das über die Computer läuft?
Sofern du manuell fliegst, hat der Airbus keinerlei Kontrolle ueber das Seitenruder (von Yaw damping abgesehen). Du musst in dem Fall also aktiv ins Ruder treten und wirst von keinem System unterstuetzt. Boeing hat auf der T7 jedoch ein solches voll automatisches System, welches beim Ausfall eines Triebwerks automatisch das Seitenruder ausschlaegt. Im Sim wird es normal deaktiviert, da die enginefailure sonst zu einfach sind :wink:

Gruss
Jochen



Antworten